Leidenschaft & PASSION
Es ist eine vergessene Welt, die sich mir offenbart sobald ich einen Lost place betrete. Manchmal liegt sie nur wenige Meter von einer vielbefahrenen Straße entfernt und man gelangt leicht auf das Grundstück. In anderen Fällen muss man sich meterweit durch Dornenhecken und Gestrüpp kämpfen. Für manche sind verlassene Orte ein Schandfleck, für mich eine Oase oder gar ein fotografisches Paradies. Es ist der Stillstand sowie die Ruhe an diesen Orten und die Natur, die sich alles wieder zurückerobert, was der Mensch einmal geschaffen hat. Ein Lost place hat für mich eine magische Anziehungskraft – die Atmosphäre, der Kontrast von Licht und Schatten. Rost, Staub, Moos, morsche Böden, Meist abgeplatzter Putz, das alles ist für mich wunderschön und sorgen für Gänsehaut-Momente. Ich bin jedesmal nervös , wenn ich mich frühmorgens ins Auto setze und zu einem Lost place fahre, finde ich einen Zugang, komme ich ungesehen rein und wie sieht dieser Lost place aus? Wer sich für dieses Hobby entscheidet, der sollte auch einen Indiane Jones in sich haben – Abenteuerlust und die Fähigkeit zur Recherche. Auch sollte man sich im klaren sein, das man bei einem Lost place-Besuch, überspitzt ausgedrückt, eigentlich mit einem Bein im Gefängnis steh und mit dem anderen im Krankenaus. Jeder Lost place, zumindest in Deutschland hat einen Eigentümer und somit begeht man bei einem nicht vom Besitzern erlaubten Besuch einen Hausfriedensbruch. Dieser ist zwar „nur“ ein Antragsdelikt, das heißt es kann nur vom Besitzer angezeigt werden, aber man sollte es im Hinterkopf behalten. Ich versuche immer die Besitzer ausfindig zu machen, sei es über eine Anfrage über die Gemeinde, durch Infos vielleicht von Nachbarn oder aber Zeitungsberichte können hilfreich sein. Oft reagieren die Besitzer oder Verwalter überrascht und verstehen nicht (gerade die ältere Generation) was an dem Staub und Dreck toll sein soll aber sie sind auch neugierig. Fast immer gibt es die Erlaubnis und wenn ich Ihnen danach die Bilder zeige und auch übergebe, dann sieht man doch ein Glanz in den Augen der Menschen und sie freuen sich über die Erinnerung. Ein Lost place ist kein Abenteuerspielplatz oder kein Freizeitpark, man kann sich dort ernsthaft und auch lebensgefährlich verletzten.
Es gibt eigentlich zwei Gruppen von Fotografen in der Lost place-Szene. Die Einen sind nur auf der Suche nach einem schnellen Schnappschuss für die Sozialen Medien oder vollziehen das konsequente Abarbeiten der bekannten Motive zur Erweiterung des eigenen, privaten Portfolios ohne Rücksicht auf Verluste. Sie nehmen sich häufig nicht die Zeit den Ort mit all seinen Details und Einzelheiten zu entdecken und befinden sich oft nur für wenige Minuten in dem Ort.. Andere Fotografen haben neben der Erkundung dieser verlassenen Orte und einem kleinen „Abenteuer“ – neben dem Foto – die Recherche zur Geschichte dieser Orte im Fokus, die sie antreibt und genau zu dieser Sorte fotografen gehöre ich. Ich möchte soviel wie möglich über den Ort wissen, wer hat hier gelebt, gearbeitet, gefeiert, gelacht und geweint. Warum wurde der Ort verlassen? Das sind alles Dinge die für mich ein Gesamtbild zusammen mit den Fotos ergeben. Ich möchte die Fotos mit Respekt machen und so dem Ort seine Würde zurückgeben, die er vielleicht auch durch den Verfall ein bisschen verloren hat. Durch meine Bilder mach ich eine Lost place erlebbar bzw. erinnere auch nach dem Verschwinden an dessen Existenz.